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Dienstag, 9. August 2022

An meiner Wand ein leuchtend blauer Ozean

Autorin: Sarah Ann Juckes
Erschienen am 18.07.2022
Im cbj-Verlag
ISBN: 9783570166475
Rezensionsexemplar: Ja

Quelle: Verlag

Klappentext:
"Ein chronisch krankes Mädchen, ein Street-Artist – und zwischen ihnen eine ganze Welt

Zwar kann die schwer kranke Alice nicht aufstehen, aber jeden Tag bringt ihr Stream Cast die Welt ins Zimmer. Von den Straßen Tokios bis zu Video-Games-Welten lebt sie die wilden und aufregenden Leben anderer Leute, ohne jemals das Haus zu verlassen. Doch alles verändert sich, als Alice einen neuen Streamer entdeckt.
Rowan ermutigt Alice dazu, nicht nur zuzusehen, sondern selbst die Kontrolle zu übernehmen. Gleichzeitig versucht Rowan etwas vor Alice zu verbergen – und vor sich selbst.
Gemeinsam bauen Alice und Rowan sich eine schönere Welt, doch ihrer beider Geheimnisse drohen sie auseinanderzureißen. Wollen sie wirklich alles riskieren für ihre Liebe?

Eine herzzerreißende und doch hoffnungsvoll lebensbejahende Geschichte über eine unmögliche Liebe für alle Leser*innen von »Drei Schritte zu dir« und »All die verdammt perfekten Tage«."
Quelle: Verlag

Meine Meinung:
Dieses Buch habe ich an einem einzigen Tag gelesen, während ich parallel etwas ganz anderes gemacht habe. Wann auch immer nur eine winzige Pause bei meiner anderen Aktivität entstand, habe ich wieder ein Kapitel verschlungen. Und ganz ehrlich: Es war gut, dass ich es schnell gelesen habe. Denn sobald ich das Buch für eine Sekunde unbeaufsichtigt ließ, schnappte es sich meine kleine Schwester. Ich befürchte, dass ich diesen Roman so schnell nicht mehr wiedersehen werde.

In diesem Buch wird ein Leben beschrieben, dass ich mir überhaupt nicht vorstellen kann. Alice ist chronisch krank. Im Alter von zehn Jahren hat sie sich mit irgendeinem Virus angesteckt, der gerade in der Schule herum war. Doch während es ihren Freundinnen und Freunden schon bald wieder besser ging, blieb Alice krank. In der Zwischenzeit ist das seit mehreren Jahren ihre Realität. Alice kann nicht in die Schule gehen oder ins Schwimmbad. Sie kann nicht auf Geburtstagspartys gehen, sie kann keinen Spaziergang machen und sich noch nicht mal selbst waschen. Selbst sich in ihrem Bett aufzurichten, kostet ihr enorm viel Energie. An einem guten Tag hat sie vielleicht zehn Spoons. "Spoons" sind Energieeinheiten, die ein Mensch zur Verfügung hat. Dieses Wort wird vor allem in der Community der chronisch kranken Menschen genutzt und bezieht sich tatsächlich auf Löffel. Ihr könnt euch das bildlich vorstellen. Während ich als gesunder Mensch eine imaginäre Besteckschublade mit so vielen Spoons zur Verfügung habe, dass ich eigentlich fast nie dazu komme, sie alle aufzubrauchen, hat Alice eben nur so um die zehn Löffel, die sie sich einteilen muss. Verschiedene Aktivitäten kosten ihr unterschiedlich viele Spoons: Sich im Bett aufzusetzten, was in meiner Energiebilanz wahrscheinlich nicht mal aufscheinen würde, kostet ihr beispielsweise einen Spoon. Ein Bad zu nehmen, kostet fünf. Auch das gehört zu den Dingen, über die ich nicht mal nachdenken muss. Während ich aber mit Spoons um mich werfen kann und mich auch dann nicht vor Konsequenzen fürchten muss, wenn ich mich mal richtig auspower, muss Alice stets ihr aktuelles Energielevel im Blick behalten, denn wenn sie über ihre Grenzen geht, bezahlt sie das mit Migräneattacken und Brainfog. Gerade der Brainfog wird in diesem Buch sehr verständlich gemacht, indem an den Stellen, an denen Alice gerade an Brainfog leidet, nur wenige Worte auf einer Seite gedruckt wurden und zwischen diesen Worten viel Abstand herrscht. Das entspricht auch der Beschreibung, die ich zum Thema gefunden habe: Das Denken ist verlangsamt, die Konzentration beeinträchtigt und das Bewusstsein getrübt.

Der einzige Weg für Alice, von der Welt außerhalb ihres Zimmers etwas mitzubekommen, sind Livestreams. Ihre ehemalige Babysitterin nimmt sie nach Tokio mit, ihr Cousin filmt sich dabei, wie er Videospiele spielt und einen Arbeitskollegen ihres Vaters begleitet sie so zum Kickbox-Training. Alice verbringt viel Zeit mit diesen Streams, was für mich gerade zu Beginn des Buchs eine Stimmung erzeugte, die mich fast an einen Science-Fiction-Roman erinnerte. Doch erst bei ihrem neuen Streamer Rowan ist es ihr möglich, auch mit diesem Streamer zu sprechen. Also tut Alice genau das: Sie spricht mit Rowan und bittet ihn darum, Dinge zu tun, die sie aufgrund ihrer Krankheit nicht tun kann. Dass sie krank ist, hält sie allerdings geheim. Und auch Rowan hat Geheimnisse, die er Alice nicht verratet. Kann diese Geschichte gut ausgehen? 


Die Autorin zeigt bei der Beschreibung der Protagonistin und ihrer Krankheit, aber auch bei den anderen schwierigen Themen, die sie anspricht, viel Fingerspitzengefühl. Offensichtlich hat sie viel Recherche geleistet. Zumindest gehe ich davon aus, da ich weder im Buch noch online einen Hinweis darauf gefunden hätte, dass Juckes selbst von einer chronischen Krankheit betroffen wäre.

Mein Fazit? Großartiges Jugendbuch darüber, wie sich ein Leben mit einer chronischen Krankheit anfühlen kann.

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