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Mittwoch, 5. Juli 2023

Über Tyrannei. Zwanzig Lektionen für den Widerstand [Hörbuch/Kurzrezension]

 

Quelle: Verlag

Dieses Buch wurde mir im letzten Semester von einem meiner Professoren empfohlen. Ich habe damals ein Seminar zum Thema "Tyrannen und Tyrannenmord" besucht und auch wenn die Stücke, die wir da besprochen haben, nicht gerade meine Lieblingswerke waren, habe ich dieses Buch sofort ausgeliehen, als es mir auf Skoobe vorgeschlagen wurde. Die Dinge, die dieser Professor über dieses Sachbuch erzählt haben, haben mich einfach zu neugierig gemacht.

Wie ihr sicher alle wisst, sind die Demokratie und die Rechte, die wir deswegen haben, keine Selbstverständlichkeit, sondern ein Privileg. In vielen Ländern können die meisten Einwohner:innen weder wählen noch eine Meinung vertreten, die nicht der der regierenden Person oder Partei entspricht. Und wenn wir nicht aufpassen, können unsere Privilegien auch jederzeit wieder von uns genommen werden. Auch wir in Österreich haben Parteien, die durch und durch demokratiefeindlich bin und leider stimmten bei der letzten Nationalratswahl 16,2 % der wahlberechtigten Österreicher:innen, die ihre Stimme abgegeben haben, für die schlimmste dieser Parteien. Wie das bei der nächsten Wahl aussehen wird, will ich gar nicht so genau wissen. Deswegen halte ich es aber für besonders wichtig, mich immer weiter fortzubilden, damit ich weiß, wie ich die Bildung einer tyrannischen Regierung in Österreich verhindern kann. Ganz allein wird das natürlich nicht funktionieren, aber jede Person, die über solche Themen informiert ist, ist wichtig.

Dieses Buch wurde offensichtlich als Antwort auf Trumps Wahlsieg geschrieben und veröffentlicht. Ihr findet hier viele Anspielungen auf seinen Wahlkampf und -sieg. Das ist natürlich nachvollziehbar, dass sich ein solches Buch auf einen konkreten Anlass bezieht, aber leider wirkte es dadurch bereits jetzt etwas veraltet und das, obwohl es erst wenige Jahre alt ist. Das ist schade, denn einige der Ratschläge finde ich ziemlich gut. Ich halte es zum Beispiel auch für sehr wichtig, guten Journalismus finanziell zu unterstützen und habe deswegen ein Abo bei "Profil", einer Wochenzeitung, die meiner Meinung nach gute Arbeit leistet. Nur die kostenlosen Artikel einer Zeitung zu lesen, die online verfügbar sind, wird nämlich nicht dabei helfen, diese Zeitung am Leben zu erhalten. Just saying. Auch den Tipp, möglichst viele Bücher zu lesen, fand ich gut, was wohl niemanden überraschen dürfte. Gut finde ich außerdem die Bitte des Autors, dass man Vereine oder NGOs finanziell oder durch Freiwilligenarbeit unterstützen sollte, die Dinge tun, die einem selbst wichtig sind. Als jemand, der schon oft ehrenamtlich tätig war, kann ich das nur bestätigen. Freiwilligenarbeit, egal wie sie aussieht, ist unglaublich wichtig. Viele Veranstaltungen, Vereine, Bibliotheken, aber auch Schulen und natürlich Wohltätigkeitsorganisationen kommen nicht ohne engagierte Menschen aus, die sie mit ihrer Zeit unterstützen. Wenn ihr also in der Lage dazu seid: Arbeitet ehrenamtlich. Sucht euch irgendeine Aktivität aus, egal wie groß oder klein sie ist, und setzt euch so für Dinge ein, die euch persönlich wichtig sind.

Leider muss ich aber sagen, dass ich nicht alles an diesem Buch gut fand. So war ich zum Beispiel schockiert darüber, wie wenig der Autor über den Nationalsozialismus in Österreich zu wissen scheint. "Leiste keinen vorauseilenden Gehorsam". Schön und gut und ist natürlich ein Vorschlag, der nicht falsch ist. Aber warum zur Hölle denkt der Autor, dass das in Österreich geschehen ist? Die Nazis in Österreich waren genauso Nazis wie die in Deutschland. Auch Österreicher:innen haben zum Tod von Millionen Menschen beigetragen, viele davon mit Begeisterung und Zustimmung. Das ist kein vorauseilender Gehorsam, sondern einfach Faschismus, an den viele dieser Menschen geglaubt haben und für den es keine Entschuldigung gibt. Diese kranke Haltung mit vorauseilendem Gehorsam zu betiteln, verharmlost diese - und das trägt zum Opfermythos bei, mit dem sich Österreich jahrzehntelang jeglicher Verantwortung entzogen hat und der ganz klar widerlegt wurde. Österreich wird hier an keiner Stelle konkret als Opfer bezeichnet, aber für mich war ziemlich klar, was da zwischen den Zeilen steht. Das ist meiner Meinung nach einfach unglaublich und hat dem Buch bei meiner Sternbewertung auf Goodreads und Lovelybooks leider viel gekostet.

Mein Fazit? Hat einige gute Punkte, die zum Nachdenken anregen. Trotzdem kann ich für dieses Buch keine Leseempfehlung aussprechen.

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