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Montag, 11. Dezember 2023

Pick me Girls

 Autorin: Sophie Passmann
Erschienen am 7.9.2023
Im Kiepenhauer und Witsch-Verlag
ISBN: 9783462004205
Rezensionsexemplar: Ja

Quelle: Verlag

Klappentext:
"Sophie Passmann hat mit »Pick me girls« nicht nur ihr persönlichstes Buch geschrieben, sondern auch eine kluge Auseinandersetzung mit dem männlichen Blick. Ihr Memoir zeichnet ein stellvertretendes Frauenleben nach und wirft die Frage auf: Welche Version von ihr selbst hätte Sophie Passmann sein können, wenn das Patriarchat nicht existieren würde?

»Ich bin nicht so wie andere Frauen«, ist der typische Satz eines pick me girls. Wahrscheinlich haben die meisten Frauen diesen Satz mal gedacht, nicht nur in der unbewusst-misogynen Abgrenzung zu einem ganzen Geschlecht, sondern als Herabwürdigung des eigenen Selbst – man ist nicht so dünn und hat keine so gute Haut wie alle anderen Frauen. Wenn man als Frau geboren wird, kommen die Selbstzweifel ab Werk. Spätestens in der Pubertät wird man mit der goldenen Regel konfrontiert, die zwar nirgendwo geschrieben steht, aber als allgemeingültig gilt: Der männliche Blick, das Begehrtwerden ist die höchste Währung. Warum wir alle pick me girls sind und welche Unmöglichkeiten Sophie Passmann und höchstwahrscheinlich auch jede andere Frau im Laufe ihres Lebens ertragen muss, das seziert Sophie Passmann so scharf und klug wie keine andere."
Quelle: Verlag

Meine Meinung:
Auch wenn es auf diesem Blog vielleicht nicht so wirkt: Ich war selbst sehr lange ein Pick-me-Girl und weiß deswegen, wovon ich spreche, wenn ich über dieses Thema schreibe. Ich war überzeugt davon, anders als alle anderen Mädchen und Frauen zu sein und dass Freundschaften mit Jungs generell besser seien, da unter Frauen Zickenkrieg herrsche. Außerdem dachte ich, dass Jungs interessanter seien, denn wofür interessieren sich Mädchen bitte außer die Farbe Pink, Barbies, (damals) Justin Bieber und Make up? 
Habe ich so gedacht, weil ich Frauen aktiv niedermachen wollte? Himmel, nein. Habe ich das aus Egoismus, Hass, Narzissmus gemacht, weil ich mich über andere stellen wollte? Nein, ebenfalls nicht. Für mich war das Selbstschutz. Ich hatte in meiner Kindheit damit zu kämpfen, Freundschaften zu schließen und bekam zu spüren, wie bösartig Kinder sein können. Und mit Kinder meine ich hier, bezogen auf meine Vergangenheit, meist andere Mädchen. Man kombiniere diese Erlebnisse mit Alltagssexismus, der mir durch verschiedenste Medien anerzogen wurde - fertig war die kleine Pick-me-Mira.
Wie ich aus diesem ekelhaften Mindset wieder rausfand? Zwei Dinge: Erstens habe ich irgendwann angefangen, feministische Texte zu lesen und bekam so deutlich gezeigt, welche Glaubenssätze ich verinnerlicht hatte, ohne dass ich es wusste. Und zweitens: Freundschaften mit anderen Frauen. Irgendwann habe ich festgestellt, dass die meisten Frauen, die ich näher kennenlernte, eigentlich doch ganz nett sind. Viele davon sind spannend, bringen ihre eigene Geschichte mit, haben ähnliche Interessen wie ich oder aber auch andere Interessen, die plötzlich zu meinen werden, weil sie so viel Begeisterung dafür an den Tag legen, dass mich das einfach nicht kalt lassen kann.

Long story short: Ich war ein Pick-me-Girl. Inzwischen bin ich keines mehr. Gleiches behauptet Sophie Passmann für sich. Natürlich musste ich dieses Buch also lesen, denn bisher sind nur wenige Bücher zu dieser Erfahrung erschienen. Ich habe mir ein feministisches Sachbuch oder eine Essaysammlung erwartet, vielleicht garniert mit einigen privaten Anekdoten aus dem Leben der Autorin. Bekommen habe ich leider nur eine Autobiographie - das hat mich überrascht, denn der Klappentext und der Titel suggerieren, dass hier über eine Erfahrung gesprochen wird, die viele junge Frauen gemacht haben. Und auch von irgendeiner Art des Feminismus konnte ich hier nichts spüren, leider.

Ein ganz großes Problem, das ich mit diesem Buch habe, ist die Tatsache, dass Passmann hier Allgemeingültigkeit suggeriert, die meiner Meinung nach einfach nicht zutrifft. So verkauft sie dann leider stellenweise ihre persönliche Meinung als Fakt, hält es aber leider nicht für nötig, diese "Fakten" auch mit Quellen, Zahlen oder irgendetwas anderem zu belegen als persönliche Anekdoten. Und das reicht einfach nicht, tut mir leid.

Einige Aussagen, die hier getroffen werden, halte ich für eher... abenteuerlich, um einen möglichst positiven Begriff zu verwenden. Wie kann man als Autorin, die von sich selbst behauptet, Feministin zu sein, mehrfach behaupten, dass Frauen generell langweiliger und weniger spannend sind als Männer? Dass Frauen weniger Interessen haben? Die Argumentation dahinter ist folgende: Die Autorin selbst hat nur wenige eigene Interessen. Und das trifft jetzt auf ALLE Frauen zu, weil ...? Diesen Sprung konnte ich nicht nachvollziehen und ich halte eine solche Aussage für gefährlich - und leider passiert das in diesem Buch öfter, dass Passmann eigene Erlebnisse und Meinungen nimmt und behauptet, dass so alle Frauen denken. 
Für genauso gefährlich halte ich folgende Aussage auf Seite 139 meiner Ausgabe: "Ich weiß, dass ich heute besser aussehe als mit Anfang 20. Ich weiß das, weil ich heute oft sexuell belästigt werde." Ähm... Pardon me? Sexuelle Belästigung hat nichts mit Schönheit oder Attraktivität zu tun. Sexuelle Belästigung ist kein Kompliment, nicht lustig, kein Spiel und ganz sicher kein Wettbewerb. Ich dachte, mir fallen die Augen raus, als ich dieses Kapitel gelesen habe, denn dieser Satz fasst das ganz gut zusammen.

Alles in allem hatte ich vor allem folgenden Eindruck: Die Autorin will gefallen, immer noch. Sie will nicht anecken, zumindest nicht bei Männern. Dieses Buch wurde für Männer verfasst, ist an Männer gerichtet, aber nicht an Frauen - was schon auf den ersten Seiten sichtbar wurde, nämlich dadurch, dass Männer eine eigene Einleitung bekommen, in denen ihnen Honig dafür ums Maul geschmiert wird, dass sie dieses Buch zur Hand nehmen. Dieses Buch ist Beweis dafür, dass man auch dann noch Pick-me-Girl sein kann, wenn man eigentlich bereits erwachsen ist, alle Fakten zu diesem Thema auf dem Tisch hat und von sich selbst behauptet, dass man kein Pick-me-Girl mehr ist. Das finde ich sehr schade, denn das Ziel des Buches, das durch den Klappentext eigentlich recht klar porträtiert wurde, wurde so meiner Meinung nach leider verfehlt.

Das ganze Werk wirkte auf mich zusätzlich etwas unstrukturiert. Ich konnte den roten Faden nicht erkennen. Das Thema war: Pick-me-Girls. Aber was denn eigentlich das Ziel der Autorin ist, warum sie sich für genau diesen Aufbau entschieden hat, wurde für mich bis zum Ende nicht sichtbar.

Mein Fazit? Das bisher wohl schwächste Buch der Autorin. Ich persönlich würde sogar so weit gehen, dieses Buch als problematisch zu bezeichnen.

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