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Donnerstag, 3. September 2020

Bildnis einer Dame [Kurzrezension]

 

Quelle: Verlag

Wieder kann ich einen Klassiker von meiner Liste streichen! Juhu! Und ihr wisst ja sicher noch, dass ich bei "Moby Dick" behauptet habe, dass das das längste Buch des Jahres war. Tja, so kann man sich tauschen. Das hier war länger. Über 700 Seiten! Und trotzdem habe ich weit nicht so lange gebraucht wie für "Moby Dick", denn statt jeden Tag nur zwanzig Seiten zu lesen, habe ich in der Zwischenzeit angefangen jeden Tag fünfzig Seiten zu verwenden. Anfang Oktober muss ich fertig sein, also wird's Zeit, dass ich fertig werde.

Mit diesem Buch bin ich gar nicht zurecht gekommen. Besondere Probleme hatte ich mit dem Frauenbild. Dieses Buch handelt von Isabel, einem Mädchen das Geld geerbt hat und das sich eigentlich vorgenommen hat, sich nie mit einem Mann zu verheiraten, den sie nicht wirklich liebt. Das war damals anscheinend schon total provokant. Ich meine, natürlich, wie kann sich eine Frau auch erlauben, die Gefühle eines Mannes nicht zu erwidern und nicht einfach den Erstbesten zu heiraten, der sie anspricht? Schrecklich, nicht? Wie kann diese Isabel das nur wagen? Uff! 

Diese Geschichte wäre großartig dazu geeignet zu wesen, ein Buch mit super coolen Frauenfiguren zu schreiben, die ihr Leben selbst bestimmen und sich nichts von irgendwelchen Männern vorschreiben lassen. Aber nein, hat leider nicht geklappt. Stattdessen wirkt Isabel stellenweise fast wie ein Schoßhündchen, gerade gegen Ende des Buches. Stellenweise war sie ja ziemlich cool, aber über sehr weite Teile war sie mir einfach zu passiv.

Was mich außerdem noch gestört hat, war die Art, wie in dem Buch über Isabel (und Frauen insgesamt) gesprochen wird. Ich zitiere hier gerne von Seite 193: "Sie konnte denken - eine Begabung, die man bei Frauen selten trifft." Was zur Hölle, mein lieber Autor? Darf ich in der Zeit zurückreisen, um dem Autoren mal ordentlich meine Meinung zu geigen? Es wird nie gesagt, dass Isabel intelligent oder charmant oder humorvoll oder irgendwas ist. Immer nur, dass sie halt so intelligent oder humorvoll oder was auch immer ist, wie das bei einer Frau halt möglich ist. Sowas halte ich einfach gar nicht aus. Warum ist sowas ein Klassiker? Warum ist sowas Weltliteratur? Dieses Buch erinnert mich wieder daran, warum Kanonkritik existiert und ganz dringend notwendig ist. Ehrlich! Sowas könnte man heute - Gott sei Dank! - nicht mehr veröffentlichen, denn das würde zu einem großen Skandal und haufenweise schlechter Bewertungen führen. Aber bei Klassikern ist so ein Weltbild immer noch okay? Und das wurde in meiner Vorlesung auch nicht reflektiert oder so! Dabei wäre das doch das Mindeste, was man tun müsste, wenn man sich mit so einem Buch beschäftigt - oder täusche ich mich da?

Mein Fazit? Hat mich geärgert. Warum ist das nochmal ein Klassiker?

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