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Dienstag, 20. Juli 2021

Stern der Ungeborenen [Kurzrezension]

 

Quelle: Verlag

Dieser Schmöker hat über 600 Seiten und war damit wohl der längste Klassiker, den ich in meinem bisherigen Leben gelesen habe. Ja, "Portrait of a Lady" war auch lange, aber es hat sich nicht so lang angefühlt. Allein schon optisch und auf taktiler Ebene: Das Buch hatte aufgeschlagen nicht auf meinen Oberschenkeln Platz. Ich musste im Schneidersitz lesen, damit ich die ganze Seite sehen konnte. Und der Schmöker ist schwer! So schwer, dass ich den Schneidersitz nie wirklich lange aushielt.

Ich hab mich mehrfach dafür verflucht, dieses Buch meiner Leseliste für die Bachelorarbeit hinzugefügt zu haben. Der Hauptgrund dafür waren die Länge und die Ausführlichkeit der Beschreibungen. Der Erzähler F.W. kann nicht einfach sagen, dass er jemanden schön findet. Nein: Zuerst muss er die Figur bis ins kleinste Detail beschreiben, dann einen spöttischen Kommentar über den Jugendkult und den Schönheitswahn Hollywoods fallen lassen und sich anschließend in Erinnerungen verlieren. Und das alles in langen und verschachtelten Sätzen, die sich über die ganze Seite erstreckten. Das machte es für mich schwierig, dabei zu bleiben. Hier fünfzig Seiten zu lesen, konnte locker einen ganzen Nachmittag füllen.

Das ganze Setting der Geschichte ist schräg. F.W. ersteht in der fernen Zukunft von den Toten auf, um an einer Hochzeit teilzunehmen. Die Menschen haben sich weiterentwickelt, leben endlich in Frieden, bereisen das Weltall, können Hunderte Kilometer in wenigen Sekunden zurücklegen... Hört sich perfekt an? Ist es nicht. Von der ersten Seite weg bescherte mir der Text ein beklemmendes Gefühl, das sich bis zum Ende steigerte. Einige Dinge passten einfach nicht! Die unglaublich konservative Kirche, die weiter großen Einfluss hat, die Waffensammlungen, der geheimnisvolle Wintergarten, der immer wieder aufgegriffen wird... Vieles war einfach gruselig. Zwar versucht der Erzähler immer einen lockeren und spöttischen Ton beizubehalten, aber naja. Trotzdem gruselig und abschnittsweise richtig unangenehm. Ich sag nur: Wintergarten.

F.W. verteilt viele Seitenhiebe in diesem Text. Er macht sich über die Weltkriege lustig, über Politiker, die sich zu sehr an ihre Macht klammern, über Journalismus, Kunstkritik, die Jugend, die Wissenschaft. Eigentlich gibt es fast keine Themen, die hier nicht kritisiert werden. Das war über weite Teile interessant, manchmal meiner Meinung nach aber zu viel des Guten.

Mein Fazit? Ein unglaublich dicker Wälzer, der sehr ins Detail geht. Trotzdem eine interessante Lektüre.

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