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Donnerstag, 2. November 2023

I'm Glad my Mom Died

 


Als ich dieses Cover zum ersten Mal sah, war ich verwirrt. Ich wusste, dass ich diese Frau von irgendwo kannte - aber ich brauchte sicher zwei Monate, um mich zu erinnern, woher. Jennette McCurdy hat in ihrer Jugend Sam aus der Sendung "iCarly" gespielt und diese Sendung durfte ich mir ansehen, wenn ich bei Freunden zu Besuch war oder wenn ich krank war. Die sonstige Zeit war Nickelodeon bei uns ein Sender, den wir Kinder uns nicht besonders oft ansahen, da wir den Fernseher eigentlich ausschalten sollten, wenn Werbung lief. Haben wir oft genug nicht getan, aber die Werbung laufen zu lassen, war bei Sendern einfacher, bei denen weniger Werbung lief. Nickelodeon hatte da doch relativ viele Werbepausen.

Ich war als Kind und Jugendlich immer gerne auf der Bühne und bin deswegen auch lange davon ausgegangen, dass die meisten Kinderschauspieler das freiwillig machen und genießen. Joa, das habe ich dann als Erwachsene relativ schnell gelernt, dass da ziemlich viel Zwang und Ausbeutung im Spiel ist und es nicht immer die Idee des Kindes ist, mit der Schauspielerei, dem Gesang oder dem Tanz zu beginnen. Oft geht es bei sowas mehr um die Selbstdarstellung der Eltern als um das Kind. Auch in McCurdys Fall war das so. Jennette begann im zarten Alter von sechs Jahren mit der Schauspielerei. Das war aber nicht, weil sie das mochte, sondern weil sie ihre Mutter glücklich machen wollte. Ihre Mutter, die immer Streit mit ihrem Vater und ihren eigenen Eltern zu haben schien, immer Geldsorgen hatte, vor ein paar Jahren fast an Krebs starb und seitdem nichts mehr wegwerfen kann, die keine Freundinnen im eigenen Alter zu haben schien, und als die als Kind selbst gerne geschauspielert hätte, das aber nicht durfte. Jennette fühlte sich als Seelenverwandte ihrer Mutter, als einzige, die sie glücklich machen kann und als einzige, die sie versteht. Und deswegen gibt es für Jennette auch nicht die Möglichkeit, die Schauspielerei sausen zu lassen, als sie bemerkt, dass das gar nichts für sie ist. Denn sie befürchtet, dass die Trauer ihre Mutter umbringen könnte, dass ihre Mutter sie dann vielleicht nicht mehr lieb hat. Und so versucht sie weiter, den Traum ihrer Mutter zu leben und ihr dabei alles recht zu machen.

Die Beziehung zwischen Jennette und ihrer Mutter ist unglaublich toxisch und ich bin keine Spezialistin, aber ich halte Jennettes Mutter für eine Narzisstin. Sie macht das Leben ihrer Tochter zur Hölle und manipuliert sie gleichzeitig so, dass Jennette Schuldgefühle bekommt, weil sie den "Traum", den sie dank ihrer Mutter leben darf, hasst. Durch ihre Mutter wird Jennette essgestört (schon im Alter von elf Jahren beginnt sie damit, ihre Kalorien zu zählen und zu beschränken), sie wird ängstlich und macht sich vollkommen abhängig von ihrer Mutter - denn die erlaubt ihr bis ins Erwachsenenalter nicht mal, alleine zu duschen. Dieser autobiografische Bericht war für mich unglaublich schockierend. Wie kann man so mit einem Kind umgehen? Egal ob es das eigene oder ein Fremdes ist. Wie kann man generell einen anderen Menschen so behandeln? Ich weiß, dass es Menschen gibt, die sowas machen, aber ich kann ein Verhalten nicht mal ansatzweise nachvollziehen. Das ist einfach nur ekelhaft.

So schockierend, wie dieses Buch war - ich fand die Lektüre sehr spannend, gerade auch weil ich McCurdy durch diese Kinderserie kannte. Auf mich wirkte "Sam" immer unglücklich. Da war irgendwas an ihren Augen, an das ich mich noch heute erinnern kann. Aber ich habe das immer auf die Figur geschoben, die da dargestellt wurde und dachte, dass McCurdy einfach eine sehr gute Schauspielerin ist. Jetzt sehe ich diese Wahrnehmung anders, sehr anders.

Ich bin dankbar dafür, dass McCurdy dieses Buch geschrieben hat, denn ich weiß jetzt mehr darüber, wie emotionaler Missbrauch durch Eltern aussehen kann. Ich weiß jetzt, wie sich Narzissten gegenüber ihren Kindern verhalten können. Darüber hatte ich bisher noch nicht wirklich viel Wissen.

Mein Fazit? Eine sehr große Leseempfehlung.

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