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Montag, 15. Januar 2024

Paperthin Touch [Kurzrezension]

 

Quelle: Verlag

Hach, ich liebe Bücher über Bücher. Das macht einfach so viel Spaß. Ich liebe es, über Autor:innen und das Verlagswesen zu lesen, auch wenn ich mir ziemlich sicher bin, dass die Realität um einiges weniger romantisch ist. Hier ist zum Beispiel die Protagonistin Clio Lektorin, ihr Love-Interest ein berühmter Autor namens Bryn. Die beiden flirten im Zuge des Lektoratsprozesses in der Kommentarspalte von Word-Dokumenten. Mit dieser Ausgangssituation hat die Autorin auf jeden Fall schon etwas ganz Neues geschaffen, das ich so noch nicht kannte.

Auch die Umsetzung hat mich gerade zu Beginn überzeugt. Wir bekamen hier tatsächlich das Word-Dokument zu lesen, mit der Rohversion von Bryns Roman und mit den Kommentaren der beiden. Und das habe ich geliebt, denn so habe ich das noch nirgendwo gesehen. Wie schon gesagt: Wenn man in seinem Leben bereits knapp Tausend Bücher gelesen hat, passiert das nicht mehr so schnell.

Gerade zu Beginn begegnen wir (abgesehen von den Word-Kommentaren) auch sonst vielen schönen Ideen und Kreativität. Die erste Hälfte ist voll mit Ungewöhnlichem, das ich so noch nicht kannte.

In der zweiten Hälfte wurde das Buch dann braver und weniger außergewöhnlich. Das fand ich schade, denn in der ersten Hälfte hat ja die Autorin bereits gezeigt, was sie kann und wie talentiert sie eigentlich wäre. Da fand ich es dann schade, dass hier eher wieder auf Elemente zurückgegriffen wurde, die ich bereits kannte. Ist natürlich legitim und normalerweise würde mich das auch nicht stören, aber nach der absolut gigantischen ersten Hälfte waren meine Erwartungen sehr hoch und das hat dann bei mir für Enttäuschung gesorgt.

[Spoiler im nächsten Absatz]

Auch muss ich gestehen, dass ich glaube, dass die Protagonisten ohne einander besser dran wären. Clio ist davon überzeugt, dass sie und Bryn zusammengehören. Dass sie das perfekte Paar wären. Und dass Bryn unrecht angetan wurde, sein Name zu unrecht durch den Dreck gezogen wurde und er eigentlich unschuldig ist. Auch wenn er ihr mehrfach gegenteiliges sagt und sie an mehreren Stellen und bei der geringsten Schwierigkeit davon zu überzeugen versucht, dass er nicht gut für sie ist und er kein guter Mensch ist. Und naja, damit hatte ich ein ziemlich großes Problem. 2021 habe ich das Buch "Alle drei Tage" gelesen. Darin geht es um Femizide und Gewalt an Frauen. Und darin wurde eben auch berichtet, dass Männer, die später gewalttätig werden, oft von sich aus zu einem frühen Beziehungszeitpunkt sagen würden, dass sie kein guter Mensch seien und sie der Frau nicht gut tun würden. Außerdem wird darauf aufmerksam gemacht, dass manche Frauen sogar von anderen Frauen, zum Beispiel Ex-Partnerinnen, gewarnt werden würden. Und naja: Ich will Bryn wirklich nicht zu einem Gewalttäter machen und ihn so lesen, weil ich nicht glaube, dass er einer ist. Aber diese Parallelen habe ich trotzdem gesehen. Und das hat bei mir dann auch dafür gesorgt, dass in meinem Kopf alle Alarmsirenen losgegangen sind. Wie gesagt: Ich denke nicht, dass Bryn ein gefährlicher Mann ist. Immerhin ist er eine Buchfigur und die beiden bekommen ein Happy End. Aber diese Parallelen zusammen mit Clios unerschütterlichem Glauben, dass Bryn ein guter Mensch ist und sie nie verletzen würde? Gemixt mit Clios Überzeugung, dass sie Bryn retten kann? Puh, schwierig.

[Spoiler Ende]

Mein Fazit? Die erste Hälfte dieses Buches ist grandios. Die zweite hat mir weniger gut gefallen. Trotzdem werde ich die Autorin weiter im Blick behalten, denn an vielen Stellen hat sich das Potential gezeigt, das in diesem Buch und damit auch in ihr stecken würden.

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