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Mittwoch, 21. Februar 2024

How To Make Friends With The Dark [Kurzrezension]

 

Quelle: Verlag

Wenn ich als Jugendliche mit meinen Freund:innen über unsere größten Ängste gesprochen habe, war das Gespräch danach meistens schnell zu Ende. Während andere mir erzählten, wie groß ihre Angst vor Spinnen oder Höhen oder Clowns war (was ja alles in Ordnung ist, vor allem in diesem Alter - Ängste kann man nicht steuern), war meine größte Angst schon immer, Menschen zu verlieren, die mir nahestehen. Wahrscheinlich ist das die größte Angst von sehr vielen Menschen, aber die meisten sprechen das meiner Erfahrung nach mit 13 oder 14 Jahren (also in dem Alter, in dem solche Gespräche geführt werden) nicht so aus. Für einige glückliche ist das in dem Alter auch noch gar nichts, über das sie bisher besonders viel hätten nachdenken müssen. Während ich mit 13 Jahren schon zweimal um jemand hatte trauern müssen, lerne ich auch heute mit Mitte 20 noch Menschen kennen, die noch nie jemanden verloren haben. Die Glücklichen. Ich wünsche ihnen, dass das noch sehr lange so bleibt. 

Auf jeden Fall: Allein schon der Gedanke, dass jemand, den ich liebe, sterben könnte, bringt mich fast dazu, los zu weinen. Deswegen bin ich mit Büchern, in denen es um den Tod von Menschen geht, die den Hauptfiguren nahestehen, immer auch sehr vorsichtig. Immerhin werde ich in solchen Büchern mit meiner großen Angst konfrontiert und das ist meistens nicht besonders schön. Dieses Buch habe ich dann aber trotzdem gelesen. Warum? Das weiß ich selbst nicht so genau. Manchmal bekomme ich so ein Bauchgefühl, dass ein Buch genau jetzt richtig ist für mich und ich habe gelernt, auf dieses Bauchgefühl zu lernen. Denn meistens liege ich damit richtig.

In diesem Buch geht es um die junge Tiger. Sie und ihre Mutter stehen sich sehr nahe, funktionieren wie eine gut geölte Maschine. Sie sind immer füreinander da und so wird das auch immer bleibe, ist sich Tiger sicher. Immerhin brauchen sie einander, denn beide haben sonst keine Familie. Kein Vater, keine Großeltern, keine Geschwister. Da sind nur Tiger und ihre Mutter. Und sie lieben sich, auch wenn Tiger natürlich manchmal genervt von der Zuneigung von ihrer Mutter ist. An dem Tag, an dem das Buch beginnt, kommt es zum ersten Mal in Tigers Leben zu einem richtigen Streit zwischen ihr und ihrer Mutter. Ihre Mutter wollte ihr verbieten, zum Schulball zu gehen - und anschließend hat sie Tiger als "Entschuldigung" ein Ballkleid gekauft, das Tiger schrecklich findet. Der Streit endet damit, dass Tiger ihre Mutter über ihr Telefon hin anschreit, dass sie sie doch endlich in Ruhe lassen solle. Und statt rechtzeitig nach Hause zu gehen, trifft sie sich mit dem Jungen, in den sie verliebt ist. Ein Verhalten, wie man es von Teenagern kennt, oder? Nichts Besonderes. Nichts besonders Dramatisches. Doch wenige Stunden später ist Tigers Mutter tot und Tiger bereut alles, was sie getan und gesagt hat. Und plötzlich ist sie auf sich alleine gestellt, muss lernen, mit ihrer Trauer umzugehen, und wird von Pflegefamilie zu Pflegefamilie geschoben und steckt plötzlich in einem System fest, das ihr komplett fremd ist. Und in das sie auch gar nicht gehört, findet Tiger. Denn ihre Mutter hat sie geliebt, sie wurde nie geschlagen, nie vernachlässigt, sie kann nichts von den Dingen nachvollziehen, die die anderen Pflegekinder der Familien erlebt haben.

Für Tiger ist nichts mehr so, wie sie es kannte. Und sie versinkt langsam, aber sicher, in einer Dunkelheit und Hoffnungslosigkeit, die für mich als Leserin nur schwierig auszuhalten war. Also, Leute: Lest dieses Buch bitte unbedingt nur dann, wenn es euch gerade psychisch gut geht. Und beachtet unbedingt die Triggerwarnungen zum Buch. Ich habe während dem Lesen viel geweint und musste das Buch zwischendurch sogar zur Seite legen, weil ich die Worte nicht mehr entziffern konnte. Ich weiß, dass ich bei einem Buch weine, ist nicht mehr unbedingt eine Seltenheit (verdammt, bin ich über die letzten Jahre weich geworden!), aber so stark? Das kommt dann doch nicht unbedingt oft vor.

Tiger tat mir so unglaublich leid! Aber gleichzeitig hat es die Autorin geschafft, Tiger tatsächlich als eine Person darzustellen und nicht nur als ein Gefühl. Sie ist ein unglaublich komplexer Mensch und das auch schon vor der Trauer. Und während der Trauer macht Tiger eine unglaubliche Entwicklung durch, die ich diesem Buch gar nicht zugetraut hätte. Tiger weiß nicht, wie man trauert und das merkt man auch. Sie hat mit ihren Gefühlen zu kämpfen, weiß nicht, wie sie das Erlebte verarbeiten kann (oder ob das überhaupt möglich ist) und ist einfach komplett im Überlebensmodus. Sie verarbeitet ihre Trauer auf eine Art, die nicht unbedingt gesund ist und das ist ihr meistens auch bewusst - aber sie weiß sich auch nicht anders zu helfen. Und ganz ehrlich? Ich finde das gut! Trauer ist unglaublich schmerzhaft und ein chaotisches Gefühl, das eigentlich kein Gefühl ist, weil es aus vielen unterschiedlichen Gefühlen bestehen kann. Jeder Mensch trauert anders und man muss eigene Mechanismen entwickeln, um nicht durchzudrehen und irgendwie weiterzuleben. Und Tiger entwickelt solche Mechanismen. Ihre Mechanismen sind nicht unbedingt gesund - aber trotzdem glaubwürdig. Und das war mir persönlich viel wichtiger. Was bringt es irgendjemanden, über einen Menschen zu lesen, der perfekt trauert, wenn es sowas überhaupt geben sollte? Ich denke, dass dieses Chaos, das man in diesem Buch findet, für Jugendliche und junge Erwachsene, die vielleicht selbst zum ersten Mal mit Verlust umgehen müssen, um einiges tröstender sein kann. Vor allem Tigers Gedanken über die Aufforderung, dass sie jetzt "ganz stark" sein müsse, die alle Erwachsenen in ihrem Leben ihr plötzlich sagen, fand ich gut und spannend. Ganz ehrlich: Gerade bei Themen wie Trauer und Verlust sollte man auf Phrasen verzichten. Phrasen sind nutzlos. Wenn ihr nicht wisst, was ihr sagen könnt, dann sagt doch bitte einfach genau das. Ist meiner Meinung nach besser als wenn ihr einem Trauernden sagt, dass ihr geliebter Mensch jetzt "an einem besseren Ort" sei oder dass er:sie:they jetzt "ganz, ganz stark" sein und "einfach weitermachen" müsse. Tigers Trauer und ihre Reaktion darauf waren glaubwürdig und das machte das Buch für mich als Leserin nochmal schmerzhafter.

Mein Fazit? Wie ihr merkt, hat mich das Buch sehr berührt. Ich kann euch also die Lektüre aus ganzem Herzen empfehlen. Wenn ihr psychisch stabil seid und aktuell etwas Trauriges lesen wollt, dann lest dieses Buch!

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