Mittwoch, 3. Juli 2024

Das Mädchen mit dem Porzellangesicht

Autorin: Simone Keil
Erschienen am 17.2.2024
Im: Klett-Cotta Verlag
ISBN: 9783608966350
Rezensionsexemplar: Ja

Quelle: Verlag

Klappentext:
"»Noch nie zuvor hat er ein so schönes Mädchen gesehen. Im Mondlicht. Und sie weint...«

London, 1888. In einer kalten Novembernacht wird in einem Backsteinhaus in Covent Garden die kleine Miyo geboren. Für ihren Vater, den Puppenmacher Kazuki Kobayashi, ist sie das größte Glück auf Erden. Das Leben könnte wunderbar sein, wenn Kobayashi nicht einst einen Vertrag mit einem dubiosen Advokaten geschlossen hätte, der ihm Wohlstand und Ansehen sichert, sein Kind aber einer ungewissen Zukunft ausliefert...

Der Puppenmacher kommt zu dem einzig logischen Schluss: Er muss Miyo verstecken, um ihr Leben zu retten. Dazu fertigt er eine ganz besondere Porzellanmaske an, ein feines, aber regungsloses Gesicht, das er sonst für seine Puppen entwirft. Die Maske soll seine Tochter vor dem Advokaten verbergen. Doch die Ausdruckslosigkeit verdammt Miyo zu einem Leben in Isolation – nur wenige machen sich die Mühe, hinter die kalte Fassade der Porzellanmaske zu blicken. Aber in anderen Außenseitern findet Miyo treue Freunde, die sie auf ihrer abenteuerlichen Flucht vor dem teuflischen Advokaten begleiten. Und endlich findet sie auch die Liebe, nach der sie sich schon immer gesehnt hat."
Quelle: Verlag

Meine Meinung: 
Dieses Buch wollte ich vor allem wegen der Schauerroman-Vibes lesen, die meiner Meinung nach ganz klar von diesem Klappentext ausgestrahlt werden. Gleichzeitig wollte ich diese Maske sofort auch als Metapher lesen. Ihr kennt mich, ich bin Literaturwissenschaftlerin - ich kann einfach nicht aus meiner Haut, ich muss alles überanalysieren. Eh klar also, dass dieses Buch auf meinen eReader gewandert ist, oder?

Wir folgen hier Miyo durch ihr Leben. Ihr Vater hat einen sehr gruseligen Vertrag mit einem richtig gruseligen Typen geschlossen. Und dieser Typ seine Tochter nicht finden kann, muss sie ab sofort eine Maske aus Porzellan tragen. Immer. Denn nur so kann sie vor dem Advokaten verborgen bleiben. Wie genau das funktioniert, ob da Magie involviert ist, oder doch eher Technik, wurde für mich nicht ganz klar, aber das war für mich persönlich nicht so schlimm.
Generell kann man über die Welt sagen, dass es sich hierbei um eine Art Parallelwelt zu handeln scheint. Einerseits wirkte das hier beschriebene England auf mich wie das England zum Ende des 19. Jahrhunderts, gleichzeitig ist die Technik hier aber in manchen Aspekten weiter fortgeschritten, als sie es bei uns ist. So sind Roboter, die tatsächlich ein Bewusstsein und eine Persönlichkeit haben, hier etwas ganz Alltägliches. Was ich super spannend fand! Ich lese total gerne Steampunkt und schaue entsprechende Filme und dieser Roman hat mich an dieses Genre erinnert. Ob das genau so erwünscht war oder nur meine Assoziation kann ich nicht sagen. Aber zurück zu den Robotern: Klar scheinen die Figuren gewisse Vorgaben zu haben, anhand derer sie sich verhalten sollten - was sie aber nicht davon abhält, sich anders zu verhalten, wenn sie es für richtig halten. Und das fand ich großartig. Und gerade dieser Hintergrund machte es für mich einfacher, Dinge wie das Funktionieren der Porzellanmaske zu akzeptieren. Wenn solche Roboter in dieser Welt möglich sind, wird eine scheinbar magische Maske wohl das kleinere Problem sein.

Ein kleines Problem hatte ich leider mit dem Ende des Buches. Der ganze Konflikt zwischen Miyo und dem Advokaten wurde innerhalb der letzten fünf Seiten aufgelöst und das auf eine nicht besonders spannende oder interessante Art. Das fand ich richtig schade, denn ich habe mir hier einen großen Showdown erwartet. Ich war dann nach dem Ende doch eher enttäuscht. Das Buch und vor allem auch Miyo hätten mehr verdient, finde ich.

Mein Fazit? Ein guter Roman, der euch in eine spannende Welt entführen wird. Nur mit dem Ende war ich nicht ganz zufrieden.

Montag, 1. Juli 2024

Mein Name ist Lilith

Autorin: Nikki Marmery
Erschienen am 28.2.2024
Im Fischer Verlag
ISBN: 9783949465116
Rezensionsexemplar: Ja

Quelle: Verlag

Klappentext:
"Im Paradies, am Anfang der Zeit, beginnt die große Lüge: Frauen sind Männern untergeordnet. 

Lilith und Adam leben gemeinsam im Garten Eden. Als Adam verlangt, dass Lilith als seine Frau seinem Willen gehorchen soll, weigert sie sich - und wird aus dem Paradies vertrieben. Zornig sieht Lilith, wie Gott Eva erschafft, die Frau, die nur Unterordnung kennt. Denn Lilith erinnert sich noch an Asherah, die einst mächtige Ur-Göttin. Doch sie ist verschwunden. Zusammen mit dem Erzengel Samael bricht Lilith auf, die Göttin zu finden und die Frauen aus der Unsichtbarkeit zurück ins Licht der wahren Geschichte zu führen."
Quelle: Verlag

Meine Meinung:
Ich habe noch während meiner Schulzeit zum ersten Mal von Lilith gehört. Natürlich nicht von meinen Lehrer:innen, dafür von einer anderen Schülerin. Ich war total fasziniert von dieser Figur, die aber damals von der großen Öffentlichkeit noch nicht besonders viel Aufmerksamkeit bekommen hat. Und bis heute sagt dieser Name wohl den meisten Menschen nichts. Allein deswegen wollte ich diesen Roman lesen. Eine Neuerzählung der Geschichte Liliths? Hell yes! Sehr gerne! Das muss ich lesen und rezensieren, damit so viele Menschen wie möglich erfahren, dass es diese Figur überhaupt gibt.

Dieser Roman erzählt aus der Perspektive Liliths die gesamte (biblische) Menschheitsgeschichte vom Garten Eden über die Arche Noah und Jesus bis hin zu unserer Gegenwart oder knapp davor. Und trotz der Tatsache, dass die meisten erzählten Ereignisse aus der Bibel stammen, schafft es die Autorin trotzdem, andere Kulturen und Religionen mit einzubeziehen und das auf eine überraschend wertschätzende Art. Das hat mich positiv überrascht. Super fand ich auch, dass man am Ende dieses Buches einen historischen Überblick findet, der über verschiedene Handlungsabschnitte aufklärt oder aber auch Gött:innen näher vorstellt, die in der Geschichte zwar genannt aber nicht weiter beschrieben werden.

Was die Geschichte selbst angeht, bin ich leider zwiegespalten. Einerseits mag ich die Grundidee sehr gerne und auch viele Abschnitte der Handlung fand ich schön. Zum Beispiel mochte ich die Liebesgeschichte zwischen Samael und Lilith und mir gefiel es, dass der Mythos von Lilith als kinderstehlende Dämonin hier darauf beruht, dass Lilith den kleinen Kindern vorsang. Weniger toll fand ich, zum Beispiel das Ende, das mich einfach unzufrieden zurückgelassen hat. Vor allem, da ich einfach nicht einsehen kann, inwiefern dieses Ende irgendwas für die Menschheit ändern wird?

Außerdem muss ich hier einfach die fehlenden Graustufen kritisieren. Gerade wenn ich auf die Beschreibung der Männer blicke, musste mir das auffallen - und ehrlich, ich glaube, das ist das erste Mal, dass ich ein Buch lese und das Gefühl habe, Männer verteidigen zu müssen. Vom christlichen Gott und Adam über Noah und seine Söhne bis hin zu irgendwelchen Nebenfiguren: Die hier vorgestellten Männer sind abgrundtief böse und hassen Frauen, die sie natürlich auch regelmäßig vergewaltigen, um ihren Hass auszudrücken. Die einzige Ausnahmen sind natürlich Samael und noch ein oder zwei andere Männer. Das fand ich schade. Auch ist mir aufgefallen, dass die Autorin zwar durchaus lesbische Frauen erwähnt, Lilith allerdings in ihrem unendlich langen Leben keine Figur findet, die Genderqueer wäre. Das hätte ich persönlich wichtig gefunden, da man diesem Buch sonst leicht vorwerfen könnte (und es in manchen Rezensionen auch tut), dass dieser Roman essentialistisch sei und Frauen auf ihre Fähigkeit, Kinder zu bekommen, reduziert. Was ja in der Realität nicht unbedingt eine Fähigkeit ist, die alle Frauen haben - und umgekehrt macht es einen Menschen ja auch nicht zur Frau, nur weil die Person Kinder bekommen könnte.

Den Schreibstil würde ich über weite Teile als poetisch beschreiben. Das liest sich zwar sehr schön, hat mich aber davon abgehalten, größere Abschnitte unter einmal zu lesen. Denn einfach so treiben lassen, kann man sich bei diesem Schreibstil nicht - du musst immer aktiv mitdenken. Das hat mich persönlich nicht wirklich gestört, wer dieses Buch aber lesen will, sollte genügend Zeit und Energie dafür einplanen.

Mein Fazit? Ein interessanter Roman, der allerdings sein Potential nicht voll ausschöpft.