Dienstag, 12. November 2024

Das Philosophenschiff

 Autor: Michael Köhlmeier
Erschienen am 29.1.2024
Im Hanser Verlag
ISBN: 9783446282377
Rezensionsexemplar: Ja

Quelle: Verlag

Klappentext:
"Mit diesem großen Werk schließt Michael Köhlmeier an seinen Bestseller „Zwei Herren am Strand“ an. Zu ihrem 100. Geburtstag lädt die Architektin Anouk Perleman-Jacob einen Schriftsteller ein und bittet ihn darum, ihr Leben als Roman zu erzählen. In Sankt Petersburg geboren, erlebt sie den bolschewistischen Terror. Zusammen mit anderen Intellektuellen wird sie als junges Mädchen mit ihrer Familie auf einem der sogenannten „Philosophenschiffe“ auf Lenins Befehl ins Exil deportiert. Nachdem das Schiff fünf Tage und Nächte lang auf dem Finnischen Meerbusen treibt, wird ein letzter Passagier an Bord gebracht und in die Verbannung geschickt: Es ist Lenin selbst."
Quelle: Verlag

Meine Meinung:
Bitte erinnert mich daran, dass ich mich in Zukunft von Buchpreisen aller Art fernhalte, zumindest was mein privates Lesevergnügen angeht. Denn davon habe ich leider aktuell eher weniger. Und das finde ich super schade, denn eigentlich habe ich ein paar der Nominierten gerade deswegen angefragt: Weil sie für einen sehr wichtigen Buchpreis nominiert wurden und ich mal wieder Lust auf eine anspruchsvolle Lektüre hatte. Liebesromane sind zwar toll, aber ich brauche meine bunte Mischung, um zufrieden zu sein. Joa, in Zukunft verlasse ich mich bei der Suche nach anspruchsvollen Empfehlungen doch lieber auf mein Bauchgefühl.

Ich hatte große Hoffnungen für dieses Buch. Sehr große. Michael Köhlmeier ist eine große Nummer und auch ich habe schon Texte von ihm gelesen und genossen. Also war ich mir eigentlich sicher, dass dieses Buch hier kein großes Risiko sein wird. Ich war mir sicher, dass ich es mögen würde. Tja, falsch gedacht. Dieser Roman hat mich einfach nur gelangweilt. Die Zeit hätte ich besser verbringen können. Schade, aber von einem so wichtigen Autor und dem Deutschen Buchpreis hätte ich mehr erwartet. 

In diesem Buch passiert sehr viel, doch die beteiligten Figuren lässt das kalt. Es können die grausamsten Dinge passieren (teils wird sogar Folter beschrieben - oder sollte ich es Mord nennen? Bin mir nicht sicher, was hier der richtige Begriff ist!), doch der lockere Plauderton, der überall herrscht, wird beibehalten. Und dadurch, dass es den Figuren offensichtlich egal war, schaffte ich es auch nicht wirklich, mich für die Geschichte oder die Entwicklungen zu interessieren.

Im Zuge der Handlung kommt es zu einer Verschmelzung von Fiktion und Realität. Mir ist aber nicht ganz klar, was davon real und was erfunden war. Und dieses Buch macht zumindest mir nicht unbedingt Lust, groß Recherchearbeit zu leisten. Ich finde, hier wäre ein entsprechendes Nachwort eine gute Ergänzung gewesen.

Für problematisch halte ich hier auch die Darstellung Lenins als liebe und harmlose Großvater-Figur. Ich denke, wer ein Geschichtsbuch lesen kann, wird schnell sehen, dass Lenin für sehr viel Leid verantwortlich war. Das durch ihn mitgeschaffene Terrorregime wird hier sogar gezeigt und beschrieben - siehe oben, teils sogar mit ekelhaften Details. Und trotzdem freundet sich die zu diesem Zeitpunkt noch jugendliche Protagonistin mit Lenin höchstpersönlich an. Daher ist diese Darstellung für mich absolut unverständlich - und wirkte auf mich sehr befremdlich.

Mein Fazit? Leider gar nicht mein Fall.

Montag, 11. November 2024

Dunkle Künste und ein Daiquiri [Hörbuch/Kurzrezension]

 

Quelle: Verlag

Uuuuund der Preis für das Beste Standdesign auf der Frankfurter Buchmesse geht an... diesen Verlag hier! Den Second Chances Verlag! Die haben nämlich eine Bar nachgebaut und ich gehe mal ganz stark davon aus, dass das die Gilde-Bar ist, in der Tori arbeitet. Gefragt habe ich nicht, aber dadurch, dass der Fokus der Aussteller doch eher stark auf diesem Buch lag (nochmal: meine objektive Wahrnehmung und Interpretation!), gehe ich mal ganz stark davon aus.

Diesen zweiten Teil habe ich sehnlichst erwartet - wohl wissend, dass zweite Bände immer ein bisschen schwächer sind als ihre Vorgänger. Das war auch hier so, aber das finde ich nicht tragisch. War immer noch gut.

Wir tauchen hier tief in Toris Hintergrundgeschichte und Psyche ein. Als sie erfährt, dass ein Mädchen von Zuhause weggelaufen ist und dann von einem gefürchteten Druiden namens "Der Geist" entführt wurde, handelt sie, ohne lange darüber nachzudenken. Immerhin erkennt sie sich selbst in dieser Geschichte wieder. Auch sie war als Kind eine Ausreißerin und hat leider nie die Hilfe bekommen, die sie gebraucht hätte. Das soll nicht noch einem anderen Mädchen passieren! Also beschließt sie, sich selbst als hilflose Jugendliche auszugeben und so den Druiden zu sich zu locken. Sie wird das Mädchen retten - und wenn sie bei dem Versuch draufgeht! Aber natürlich geht alles schief und Tori wird zur Gefangenen des Druiden. Aber ist wirklich alles so, wie es scheint? Kurze Antwort: Natürlich nicht. Und genau das mag ich an der Reihe.

Generell habe ich in diesem Band aber die drei Chaosmagier aus Teil 1 vermisst. Aber naja: Vielleicht darf ich ja im nächsten Buch wieder mehr Zeit mit ihnen verbringen.

Auch dieser zweite Band hat mir gut gefallen. Ich mag Tori und ihre Art sehr. Und ich mag auch die Sprecherin des Hörbuchs, Yesmin Meisheit, sehr, sehr gerne. Ich würde inzwischen sogar so weit gehen und sagen, dass das eine meiner Lieblingssprecherinnen ist.

Mein Fazit? Gelungene Fortsetzung.

Sonntag, 27. Oktober 2024

Die schönste Version

Autorin: Ruth-Maria Thomas
Erschienen am 16.7.2024
Im Rowohlt Verlag
ISBN: 9783644019799
Rezensionsexemplar: Ja

Quelle: Verlag

Klappentext:
"Die späten Nullerjahre, frühen 2010er Jahre in einer ostdeutschen Die schönste Version erzählt die Geschichte von Jella und Yannick, von der ersten großen Liebe, die alles richtig machen will. Bis es kippt. Wieder zurück in ihrem Kinderzimmer fragt Jella sich, wie es so weit kommen konnte. Sie schaut noch einmal genauer auf ihr Aufwachsen in der Lausitz. Kleinstadt und Kiesgruben, Gangsterrap und Glitzerlipgloss. Auf Freundinnen, die sie durch so vieles trugen. Und auf den Moment, in dem Yannicks Hände sich um ihren Hals schlossen.

Die schönste Version ist die Geschichte eines Erwachens, Erkennens, Anklagens, eine große Ruth-Maria Thomas schreibt über das Frauwerden, Frausein, von Körpern, Begierden und tiefen Abgründen. 

Mit stilistischer Brillanz, großer Leichtigkeit und Drastik erzählt Ruth-Maria Thomas in ihrem funkelnden Debütroman von den schönsten Dingen. Und den schrecklichsten."
Quelle: Verlag

Meine Meinung:
Dieses Buch wurde für den Deutschen Buchpreis 2024 nominiert und wie alle anderen Nominierten ist ihre Leseprobe damit sofort auf meiner Prüfliste gelandet. Ich habe reingelesen, es für gut gefunden und das eBook angefragt. Und jetzt kommt die Rezension - und ja, ich weiß, dass der Preis inzwischen bereits verliehen wurde. Da ich aber sowieso nicht in der Jury sitze, macht das aber nichts, finde ich.

Dieses Buch macht mich sprachlos. Gewalt in der Familie kann wirklich jeden treffen und sieht immer unterschiedlich aus. Man hat bei dem Thema oft ein ziemlich genaues Bild vor Augen, aber die Realität ist kein Film. In der Realität erkennt man Gewalttäter nicht am Aussehen. Egal wie aber die Beziehung zwischen Täter und Opfer im echten Leben ist: Das Opfer hat nie Schuld. Egal, welche Gründe die Gewalt hat: Du verdienst Hilfe. Du verdienst eine Umgebung, in der du  sicher bist. In der du keine Angst vor Gewalt haben musst. Bitte such dir Hilfe. Es gibt Angebote online und offline, auch die Polizei ist ein Ansprechpartner.

Auch in diesem Buch geht es um Gewalt. Jella wurde von ihrem Freund gewürgt und flieht nach dem Vorfall zu ihrem Vater. Sie macht all das durch, was wohl viele Opfer durchmachen müssen. Sie erstattet Anzeige, zweifelt aber schon bald daran, ob das die richtige Entscheidung war. Durch die Attacke ihres Freundes hat sie körperliche, aber auch psychologische Folgen und sie hat Angst vor rechtlichen Konsequenzen, weil sie Yannik eine Pfeffermühle über den Kopf gezogen hat. Durch ihre Familie und ihre Freunde kommt es zu Gaslighting ("Das hat er doch sicher nicht so gemeint!"), es kommt zu Täter-Opfer-Umkehr ("Zu einem Streit gehören immer zwei dazu!"). Und auch sie selbst zweifelt bald an ihrer Wahrnehmung der Situation. Denn warum ist sie so lange geblieben, wenn ihr Leben mit Yannik so schrecklich gewesen sein soll? Und was ist mit den schönen Momenten ihres Lebens?
Parallel dazu folgt die Beschreibung, wie sich die Beziehung zwischen den beiden entwickelt hat - und an welchen Punkten sie vielleicht falsch abgebogen sind. Wer sich schon genauer mit Gewalt in der Beziehung beschäftigt hat, bemerkt schnell die ersten Warnsignale. Jella tut das nicht.

Besonders toll finde ich, wie Jella hier beschrieben wird. Denn sie ist nicht zerbrechlich und an einigen Stellen fast schon gemein. Ganz ehrlich? Manchmal fand ich sie unausstehlich. Und trotzdem wird hier ganz klar herausgearbeitet: Was Yannik getan hat, hätte er trotzdem nicht tun dürfen. Das finde ich gut, denn so kommen wir von diesem einen Narrativ der verletzlichen Frau als Opfer weg, die man sehr häufig in Medien zu diesem Thema findet.

Mein Fazit? Eine gute Geschichte. Ich kann die Nominierung nachvollziehen.