Autorin: Edith Löhle
Erschienen am 4.3.2024
Im Leykam Verlag
ISBN: 9783701183227
Rezensionsexemplar: Ja
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Quelle: Verlag |
Klappentext:
"Klara hat die Schnauze voll. Ihre Arbeit als Redakteurin eines sogenannten Frauenmagazins, der allgegenwärtige Sexismus des Chefredakteurs, die Erwartungen ihres Boyfriends und die miserable Situation von Frauen überall auf der Welt bringen sie an den Rand eines feministischen Burn-Outs. Als sie den Auftrag bekommt, eine Story über eine motorradfahrende Pastorin zu schreiben, führt die Recherche sie zu biblischen Frauenfiguren, von denen sie noch nie gehört hat. Wie sehr es doch mit den herrschenden Geschlechterverhältnissen zu tun hat, wie Geschichten von Frauen erzählt und überliefert werden! Während Klara die Story aufschreibt, melden sich immer mehr unbekannte Nummern auf ihrem Smartphone, die sie zu einer Gruppe namens »Bible Bad Ass« einladen. Sie nennen sich Magdalena, Maria, Ruth, Lilith, … – was, zur Hölle, ist hier los?
Bible Bad Ass ist eine Abrechnung mit den Lügen der Kirchenväter und der Anfang einer Vertöchterung. Ein hartes, smartes und durch und durch popkulturelles Debüt."
Quelle: Verlag
Mein Kommentar:
Man wird es kaum glauben: Ich bin immer noch Teil der katholischen Kirche, trotz der vielen Kritik, die ich nicht nur hier äußere. Der Grund dafür ist größtenteils, dass ich eine katholische Schule besucht habe und dort eine wunderschöne Art kennenlernen durfte, Glauben zu leben. Und auch, wenn man mich bis heute nur zu besonderen Anlässen in der Kirche sieht und ich keine Möglichkeit auslasse, Religion und vor allem die mächtigen Personen wie den Papst zu kritisieren, bin ich trotzdem noch immer Teil dieser Religion. Auch, wenn mich jede queerfeindliche oder sexistische Aussage des Papstes einen Schritt näher an den Austritt bringt. Vielleicht komme ich in die Hölle dafür, aber dieser Typ ist sowas von vorgestrig und sollte einfach keinerlei Macht haben dürfen.
Und gerade weil die katholische Kirche in vielen Fällen immer noch unglaublich sexistisch und queerfeindlich ist, finde ich es wichtig, sich über Gegenentwürfe zu informieren. Und da gibt es wirklich viele tolle Projekte und Initiativen, die sich zum Beispiel für mehr Recht der LGBTQIA+-Community im katholischen Glauben einsetzen, für eine Aufhebung des Zölibats oder auch dafür, dass Frauen endlich als gleichwertig angesehen werden und nicht mehr rein auf ihre Gebärmutter reduziert werden. Also war ich natürlich auch auf dieses Buch sehr gespannt.
Aber nein. Das hat hier nicht unbedingt funktioniert. Leider, denn ich hätte mir das sehr gewünscht. Und dabei geht dieses Buch wirklich gut los! Klara flippt gegenüber ihres sexistischen Chefs endgültig aus, weil er ihren Artikel über eine queere und feministische Priesterin bis zur Unkenntlichkeit verändert hat. Sie wird zwangsbeurlaubt - und während dieses Zwangsurlaubs in eine seltsame Whatsapp-Gruppe eingeladen, die sich "Bible Bad Ass" nennt. Und hier lernen wir gemeinsam mit Klara die wichtigen Frauen der Bibel kennen. Und das könnte super interessant sein! Immerhin kennt die Bibel überraschenderweise doch relativ viele starke Frauengestalten, auch wenn diese durch verschiedene Übersetzungen und Überlieferungen teils bis zur Unkenntlichkeit verändert wurden. Oder habt ihr zum Beispiel gewusst, dass Maria ursprünglich eine junge Frau war und keine Jungfrau? Nein? Tja, wundert mich nicht wirklich, denn um sowas rauszufinden, muss man doch literaturwissenschaftliche Vorlesungen besuchen, zumindest meiner Erfahrung nach. Also hatte ich gehofft, durch den Bibelchat noch mehr über solche Fehler und Verunstaltungen zu erfahren.
Das hat sich aber nicht erfüllt. Stattdessen triftete der Chat sehr schnell ins Esoterische ab und war voll mit Kalendersprüchen (die im Buch auch selbst so genannt werden), die mich irgendwann nur noch die Augen verdrehen ließen. Es wirkte fast so, als wäre es hier das Ziel gewesen, so viele zitierfähige Sätze wie möglich zu schaffen - dabei schien aber der Rest des Buches eher vernachlässigt worden zu sein. So gibt es sehr schnell keine wirkliche Story mehr, abgesehen eben vom Bibelchat. Außerdem wurden dann gerade gegen Ende des Buches einige wirklich ungesunde Glaubenssätze verbreitet, die so einfach nicht unkommentiert stehen gelassen werden sollten.
Zum Beispiel wird dann Klaras Umfeld als fast schon antagonistisch dargestellt. Und wisst ihr warum? Weil sie sich Sorgen machen und ein ernstes Gespräch mit Klara führen wollen. Was echt gerechtfertigt ist, denn Klara befindet sich in einer Lebenskrise und beginnt plötzlich, ein unglaubliches Interesse für Religion zu zeigen, obwohl sie sich früher nie dafür interessiert hat. In so einer Situation ist es eigentlich sogar sehr gut, dass Klaras Umfeld hier kritisch reagiert. Und der Ratschlag des Bibelchats, sich von diesen Menschen zu distanzieren, weil sie Klaras Glauben schwächen könnten und selbst noch nicht bereit dafür sind ... nun ja, wisst ihr, wer solche Ratschläge normalerweise gibt? SEKTEN! Klara verhält sich, als wäre sie plötzlich Teil einer verdammten Sekte, bricht Kontakt zu anderen ab, und fühlt sich in ihrem neu gefundenen Glauben um so vieles besser und intelligenter als andere Menschen in ihrem Umfeld.
Was mich auch sehr gestört hat, war die Lösung von Klaras Problem. Ich weiß, dass das (eben unter anderem wegen Religion) in unserer Gesellschaft anders verkauft wird, aber: weibliche Wut ist nicht das Problem. Weibliche Wut (und nichtbinäre und oft auch Wut im Generellen) kann unglaublich produktiv sein, ist aber meistens zumindest ein Signal, dass etwas an einer Situation nicht richtig ist. Einem wütenden Menschen zu empfehlen, dass er/sie/they nicht wütend sein solle und diese Wut zu moralisieren, ist nicht in Ordnung - genau das passiert hier aber zwischen den Zeilen. Statt mit Wut solle man mit Liebe reagieren. Tja ... sagt ein Buch über eine Religion, deren Gottessohn mal aus Wut einen Tempel auseinandergelegt hat.
Auch fand ich diese übertriebene und oft sehr skurrile Verherrlichung des weiblichen Körpers hier unangenehm. Ich will gar nicht wissen, wie oft es hier zu Wortneuschöpfungen mit den Worten "Vulva" (okay) und "Muschi" (ich hasse dieses Wort, warum wird das hier für Neologismen verwendet?!) kam. Klara hörte eine Millionen mal in ihren Schoß hinein. Ach, und scheinbar sind wir alle selbst schuld an unseren Regelschmerzen. Denn diese entstehen dadurch, dass wir nicht genug Kontakt mit unserer Weiblichkeit haben und kollektives Trauma mit uns herumtragen. Darüber konnte ich wirklich nur noch den Kopf schütteln. Ja, kollektives und vererbtes Trauma existiert und das haben wohl die meisten von uns. Aber so Menschen mit Menstruation für ihre Schmerzen verantwortlich zu machen? Nope, geht gar nicht!
Durch diesen übermäßigen Fokus auf das Individuelle, auf die Gefühlsebene und die Verteufelung von Kritik verliert dieses Buch leider auch etwas wirklich wichtiges aus den Augen: Die katholische Kirche ist bei weitem nicht perfekt. Da sind ein großer Haufen Änderungen nötig und ich glaube nicht, dass die sich einfach ergeben werden. Die werden nicht einfach von selbst auftauchen, nur weil wir fest genug an die Bibel und an göttliche Kräfte geglaubt haben. Dafür müssen wir arbeiten. Wir müssen Kritik üben, müssen wütend sein, neue Thesen an Kirchentüren annageln. Nur durch brav sein, wird sich nichts verändern. Und auch Bücher wie dieses tragen nicht unbedingt zu einer Revolution bei.