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"Cinderella" war eine der Geschichten, die ich als Kind eigentlich gar nicht so gerne mochte. Es war nicht so, dass ich eine richtige Abneigung dagegen hatte, die entwickelte sich dann erst, als mir eine Version in die Hände fiel, in der sich die Stiefschwestern Zehen und Fersen abhackten. Aber ich hatte einfach so viele andere Geschichten zur Auswahl, die mich mehr interessierten. "Rumpelstilzchen" zum Beispiel, oder "Die Hexe und die sieben Fexe" oder "Das Mädchen mit den Schwefelhölzern".
Ich denke nicht, dass ich irgendjemandem erklären muss, um was es in "Cinderella" geht. Und auf dieses Märchen bezieht sich auch dieser Roman. Nur ist es hier so, dass Cinderella ein echter Mensch war und zum verpflichtenden Idol für jedes Mädchen wurde. Sobald sie 16 Jahre alt sind, müssen alle Mädchen auch den berühmten Ball am Königshof besuchen, wo sie auf ihre wahre Liebe treffen sollen. Was übersetzt so viel heißt wie: Sie werden mit dem höchstbietenden Mann verheiratet, egal wer der Typ ist. Sympathie, Altersunterschied, bisherige Ehen des Mannes - spielt alles keine Rolle. Die Mädchen haben sich ihrem Schicksal zu fügen. Sophia ist eines dieser Mädchen. Schon vor dem Ball möchte sie eigentlich am liebsten mit ihrer besten Freundin weglaufen und irgendwo ein Leben zusammen mit ihr aufbauen. Doch da diese sich weigert, bleibt auch Sophia, obwohl sie weiß, dass sie mit keinem Mann je ganz glücklich sein wird, denn sie will nunmal einfach keinen Mann. Als sie es nicht mehr aushält, ergreift sie während dem Ball die Flucht. Dabei trifft sie auf Constance, eine Nachfahrin einer der bösen Stiefschwestern Cinderellas. Zusammen beschließen sie, dass sich das Königreich ändern muss...
Ich fand die Grundidee total spannend. Über Märchen und die darin präsentierten Geschlechterrollen haben wir an der Uni schon öfter diskutiert. Wie aber kann es funktionieren, auf einem Märchen ein glaubwürdiges Unterdrückungssystem aufzubauen, wie es hier beschrieben wird? Frauen sind hier wirklich gar nichts wert. Sie sind Besitz, Sexobjekt und Gebärmaschine, aber werden nicht als Menschen gesehen und behandelt. Dass sich da irgendwann Widerstand herausbildet, ist für mich total logisch. Der Widerstand, der hier beschrieben wird, war aber leider um einiges schwächer und unstrukturierter, als ich es mir erwartet hätte. Das ist nicht unbedingt ein Kritikpunkt, nur eine Anmerkung, weil es mich überraschte.
Stellenweise fiel es mir leider schwer, Sophias Motivation nachzuvollziehen. Wir begegnen Sophia erst kurz vor ihrem Ball. Zu diesem Zeitpunkt ist sie bereits fest Gegnerin des Regimes und riskiert ihr Leben allein dadurch, dass sie ihre Gedanken laut ausspricht und auch aus ihrer Sexualität nicht wirklich ein Geheimnis macht. Die Konsequenzen ihres Verhaltens scheinen ihr egal zu sein, auch wenn wir diese von der ersten Seite weg kennen. Wenn sie sich erwischen lässt, wird man sie umbringen oder in ein Arbeitslager schicken. Der Preis, den sie zahlen müsste, wäre also doch sehr hoch. Gerade deswegen wäre es für mich wichtig gewesen, dass ich mehr über den Hintergrund von Sophias Einstellung erfahre und vor allem auch darüber, wie sich die entwickelt hat. Das blieb für mich leider bis zum Ende offen, was ich sehr schade fand. Sophias Handlungen waren für mich deswegen nicht immer ganz verständlich.
Außerdem ist dieses Buch ein Fantasybuch, das keines sein müsste und vielleicht auch besser wäre, wenn die Autorin diese Aspekte weggelassen hätte. Wow, ich hätte nie gedacht, dass ich das mal über einen Fantasyroman sage! Es ist einfach so, dass die Handlung auch ohne Fantasy funktioniert hätte. Klar, manches hätte man überarbeiten müssen, gerade gegen Ende. Aber ich glaube, dass die Geschichte ohne die "gute Fee" und ohne Magie glaubwürdiger und wahrscheinlich auch spannender wäre.
Mein Fazit? Eine spannende Grundidee, aber leider gibt es in der Umsetzung meiner Meinung nach Schwächen.
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