Autorin: Ulrike Haidacher
Erschienen am 25.8.2021
Im Leykam Verlag
ISBN: 9783701182077
Rezensionsexemplar: Ja, gelesen im Zuge einer Leserunde
Quelle: Verlag |
Klappentext:
"Eine Party läuft aus dem Ruder.
Eine Softeisverkäuferin landet durch Zufall auf einer Party, die sich als biedere Kochveranstaltung im Elternhaus eines Regisseurs herausstellt. Der Parade-Feminist und Egozentriker belehrt seine Gäste in langen Monologen und Bernhard-Manier, darunter eine 30-jährige Juristin und »Powerfrau« sowie ein weltverbesserisches Trachten-Pärchen. Während Prosecco getrunken und Rohschinken gegessen wird, diskutieren die Partygäste über »starke Frauen« und Frauenquoten. Dabei fallen die Figuren nach und nach aus ihrer Rolle, nimmt das Themenkarussell so schnell Fahrt auf, dass nicht nur der Softeisverkäuferin schwindlig wird. Bis zur Eskalation ist es nur eine Frage der Zeit. Die gefeierte Kabarettistin Ulrike Haidacher entwickelt in ihrem Debütroman eine »Sogkraft«, der sich niemand entziehen kann. Garniert mit Übersteigerung und originellem Sprachwitz vollführt der Text die hohe Kunst der Komik, die geradewegs in die Tragödie schlittert. Eine Party, die man nicht so schnell vergisst!
»Der Zeitpunkt, an dem auf einer Party Pop-up-Schürzenstände aufgebaut werden, kann als der Moment gesehen werden, eine Party guten Gewissens zu verlassen, man muss nicht immer bis zum bitteren Ende bleiben.«"
Quelle: Verlag
Meine Meinung:
Dieses Buch habe ich im Zuge einer Leserunde gelesen. Was ich an Leserunden mag, ist die Tatsache, dass ich gleichzeitig mit dem Text auch mit der Meinung anderer zum Buch konfrontiert werde. Hier war das spannend, da die Meinungen zum Text weit auseinandergingen. Während manche den Text gefeiert haben, haben andere das Buch abgebrochen oder damit geliebäugelt. Doch was ist meine Meinung dazu?
Nun, der Beginn hat mich gefesselt. Es hat mir Spaß gemacht zu sehen, wie die Protagonistin in den Strudel rund um den Regisseur gerät. Mit ihr hatte ich stellenweise fast Mitleid, weil die Gruppe rund um den Regisseur ziemlich unsympathisch ist. Gleichzeitig waren viele Stellen des Dialogs so absurd, dass ich lachen musste. Und wurde immer gleich darauf nachdenklich. Immerhin sind die Figuren und ihre Ansichten nicht komplett aus der Luft gegriffen. Schaut euch doch mal hier im Internet um! Es gibt so viele Leute, die sich für ausgesprochen feministisch, offen und modern halten und dann gleichzeitig Ansichten vertreten, die aus den 1950er-Jahren stammen könnten. Mein Professor für Gender Studies hat diese Entwicklung in seiner Vorlesung als "postfeministisch" bezeichnet. Wir genießen im Moment die Vorteile, die uns frühere Feministinnen verschafft haben und können deswegen auf Feminismus "scheißen", so wie das hier im Buch beschrieben wird. Und in gewissen Kreisen wird das dann als besonders feministisch und modern wahrgenommen, als so richtig fortschrittlich, auch wenn das das genaue Gegenteil ist. Es würde mich interessieren, ob es das Ziel von Haidacher war, diese Entwicklung zu thematisieren.
Schön gezeigt wird hier auch die Kommerzialisierung von Feminismus. Der Regisseur verkauft sich zum Beispiel als Feminist und Frauenförderer. Allerdings hört seine Unterstützung an dem Punkt auf, an dem seine Machtposition bedroht wird. Und sexistische Dinge bringt er auch auf die Bühne, verdreht diese Aktionen dann aber so, dass er als Feminist dasteht, was er meiner Meinung nach aber offensichtlich nicht ist.
Auch das glückliche Paar (ja, die heißen im Text so) führt ein "feministisches Modelabel". Das bedeutet im Klartext: Sie haben eine Schürzenkollektion zum Thema "starke Frauen", bei der die ausgewählten Frauen auf ihr Aussehen reduziert werden.
Der Text arbeitet viel mit der Stream-of-consciousness-Technik. Das macht die Leseerfahrung sehr intensiv, ich verstehe aber auch, dass es Leute gibt, denen das nicht zusagt. Man ist einfach mittendrin in der Situation und genau wie die Protagonistin kann man der Party nicht entkommen.
Was mich gestört hat, ist die Tatsache, dass es keine Unterbrechungen durch Kapitel gibt. Ich lese normalerweise immer, bis ein Kapitel zu Ende ist, bevor ich ein Buch zur Seite lege. Hier ging das aber nicht, was mich etwas unzufrieden machte. Ich verstehe die Entscheidung aus stilistischer Sicht, aber das heißt nicht, dass ich sie gut finde.
Was ich schrecklich finde, ist die Tatsache, dass am Ende des Buchs die reale Natascha Kampusch aufgegriffen und niedergemacht wird. Ja, das ist ein Stilmittel. Ja, die Autorin will aufregen und schocken. Trotzdem finde ich es daneben. Man hätte ja auch eine fiktionale Figur schaffen können - damit hätte man eine ähnliche Wirkung erzielen können. Aber so wirkt es, als wäre es der Autorin darum gegangen, um jeden Preis eine Schockwirkung zu erzielen und ich finde das nicht gut.
Auch war ich dann am Ende enttäuscht vom recht schwachen Widerspruch der Protagonistin. Das war mir nach fast 200 Seiten Parolen zu wenig. Ich habe das ganze Buch auf diesen Moment gewartet und dann wurde das so schnell abgehandelt.
Mein Fazit? Gerade zu Beginn fand ich dieses Buch sehr spannend. Allerdings ist die zweite Hälfte schwächer und das Ende hat mich enttäuscht. Schade!
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