Erschienen am 11.4.2019
Im K. Wagenbach Verlag
ISBN: 9783803136862
Rezensionsexemplar: Nein
Quelle: Verlag |
Zur Autorin:
"Michela Murgia wurde 1972 in Cabras (Sardinien) geboren. Bei Wagenbach erschienen der SALTO-Band »Elf Wege über eine Insel« sowie im Taschenbuch »Camilla im Callcenterland« und »Murmelbrüder«. Ihr Erfolgsroman »Accabadora« wurde in 25 Sprachen übersetzt und auf Deutsch bereits über 150.000 Mal verkauft."
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Klappentext:
"Die Demokratie ist mühsam, fehlerhaft und instabil. Entscheidungsprozesse sind langwierig, kompliziert und teuer, politische Parteien kaum zu unterscheiden. Zu viele Beteiligte müssen gefragt, möglichst alle Minderheiten einbezogen werden. Wäre da eine volksnahe Führung mit mehr Entscheidungsfreiheit nicht wirkungsvoller? Ist der Faschismus nicht effizienter in der Durchsetzung zentraler Ziele für das gesellschaftliche Zusammenleben? Oder warum sonst wurden in jüngster Zeit so viele populistische Regierungen gewählt?
»Faschist werden« beschreibt, wie man sich innerhalb der Demokratie in Position bringen kann, wie man über die sozialen Medien das demokratische Chaos vorführt und welche argumentativen Muster zu beachten sind.
Michela Murgia hat eine provozierende Polemik über die italienische und europäische Gegenwart verfasst – und auch im deutschsprachigen Raum sollen politische Gegner, wenigstens rhetorisch, »gejagt« oder »entsorgt« werden. Geschichtsrevisionistische Vorstöße häufigen sich, sozial Schwache werden gegen Geflüchtete ausgespielt. Und der Grat zwischen solidarischem und reaktionärem Denken ist oft schmaler als gedacht – auch in uns selbst.
Mit Faschistometer zum Selbsttest."
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Meine Meinung:
Erinnert ihr euch noch an dieses Buch? Das ist das eine, bei dem ich euch geschworen habe, dass das Cover im echten Leben viel besser aussieht, da es nicht ganz so grellpink ist. Der Meinung bin ich immer noch. Gerade habe ich nämlich wieder einen halben Herzinfarkt bekommen, weil mich das Pink so geblendet hat! Lieber Verlag: Wie geht das, dass das Pink hier so unglaublich grell ist? Das tut ja in den Augen weh!
Jetzt aber ab zum Thema, um das es eigentlich geht: Der Buchinhalt! "Faschist werden" ist ein Sachbuch, das seinen Lesern erklärt, wie man die Demokratie umstürzen und den Faschismus an die Macht bringen kann. Das beginnt bei der richtigen Ausdrucksweise ("Das wird man wohl noch sagen dürfen!"/"MEINUNGSFREIHEIT!!!!"), geht weiter über die Erschaffung des richtigen Feindbildes (die bösen, bösen Flüchtlinge/Homosexuellen/Muslime/Juden/Feministen/...) bis hin zum Ergreifen der Macht. Das Buch ist dabei so geschrieben, dass es zu großen Teilen kaum als Satire erkennbar ist. Ich habe regelmäßig die Lektüre unterbrochen, um nochmal nachzuschauen, ob das wirklich Satire ist - oder ob ich nicht aus Versehen das Parteiprogramm einer faschistischen Partei in die Hand bekommen habe. Stellenweise kam mir fast schon wieder mein Schwarztee hoch! Gerade aber dadurch, dass dieses Buch so wenig wie eine Satire scheint, hat es mich zum Nachdenken gebracht und mich sensibilisiert. Zum Beispiel wird in diesem Buch erwähnt, dass immer mehr Lehrer es nicht schaffen, den zweiten Weltkrieg im Unterricht durchzunehen, da "leider keine Zeit mehr da war". Und ich hatte, hoffentlich als einzige Schülerin der Weltgeschichte, erst in der Oberstufe einen Lehrer, der mit uns über den zweiten Weltkrieg gesprochen hat. Davor wurde das Thema zwar immer wieder mal angesprochen, aber so richtig viel gelernt haben wir darüber weder in der Volkschule, noch in der Hauptschule. Begründet wurde das immer mit eben diesem Argument: Es war halt keine Zeit mehr da. Heißt also, wenn es meinem Opa nicht so wichtig gewesen wäre, dass ich weiß, wie schrecklich die Zeit des zweiten Weltkrieges war, und wenn ich nicht immer schon viel gelesen hätte, dann hätte ich zum ersten Mal mit 17 Jahren vom zweiten Weltkrieg gehört. Und das finde ich ganz schön krank. Ich dachte immer, dass meine Lehrer einfach eine Ausnahme waren, aber wenn es dieses Phänomen sogar in ein Buch schafft, dann wird es wohl doch weiter verbreitet sein, als ich dachte. Ich will meinen Lehrern auch gar nichts unterstellen - Ich war in sehr schwierigen Klassen, da kann ich mir gut vorstellen, dass die Zeit tatsächlich knapp geworden ist, da man zu viel Zeit damit verbringen musste, die Kids irgendwie unter Kontrolle zu bringen. Aber trotzdem: Um jeden einzelnen der Habsburger-Kaiser zu behandeln, hat die Zeit offensichtlich gereicht.
Nun aber wieder zurück zum Buch. Es ist auf jeden Fall sehr, sehr, sehr provokant. Dass das eine Satire ist und nicht ernst gemeint, war nur an sehr wenigen Stellen sichtbar. Auf der einen Seite hat mich das zum Nachdenken angeregt, andererseits fand ich das aber auch riskant, da ich mir vorstellen könnte, dass es manche Leute gibt, die einen Text wie diesen ernst nehmen würde. Ob die allerdings ein Buch mit dem Titel "Faschist werden" kaufen würden? Oder überhaupt Bücher?
Zu guter Letzt möchte ich euch noch mein Ergebnis des Faschistometers vorstellen: Ich hatte zwölf von 65 Punkten und bin damit ein "Aspirant". Meine "Entwicklung zum Faschisten" steckt also noch "in den Kinderschuhen" und ich ähnle eher einem "wütenden Demokraten als einem heiteren, gut ausgebildeten Faschisten". Tja, kann man nichts machen! Werd ich halt doch keine Faschistin.
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